
Smart Fusion - Closed-Loop Regelung
für homogene Mikrostrukturen
24. März 2025 | Lesedauer: 7 min | Autor: Tobias Novotny, Narges Mirzabeigi, Dominik Kunz, Ulrich Kleinhans
Überhitzung ist eine große Herausforderung beim Laserstrahlschmelzen im Pulverbett von Metallen (PBF-LB/M). Sie beeinträchtigt die Baubarkeit komplexer Geometrien und flacher Überhänge, die Qualität der nach unten gerichteten Oberflächen und die Materialeigenschaften der fertigen Teile. In der Vergangenheit haben wir bereits gezeigt, wie Smart Fusion, den Bedarf an Stützstrukturen verringern kann. In diesem Artikel soll dessen Wirkung auf den thermischen Verlauf und die Mikrostrukturbildung aufgezeigt werden. In Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für photonische Technologien (LPT) haben wir open loop Standardprozesse mit Smart Fusion Prozessen mit geschlossenem Regelkreis in Geometrien verglichen, die einen Wärmestau hervorrufen. Wir haben festgestellt, dass Smart Fusion die Homogenität der Mikrostrukturen und die Härte deutlich verbessert, indem es eine gleichmäßige thermische Signatur während des gesamten Bauprozesses gewährleistet.
Grundlagen zur Überhitzung und Smart Fusion
Bei PBF-LB/M trägt der Laser mit jeder Schicht wiederholt Energie in das Bauteil ein. Wenn die Energie nicht ausreichend aus der Prozesszone abgeführt werden kann, staut sich die Wärme während des Aufbaus und führt schließlich zur Überhitzung. AM-Applikationsingenieure sind sich der Risiken einer Überhitzung bewusst und verfügen seit jeher über Optionen, um die Auswirkungen zu verringern.
Zu den gängigen Ansätzen im Umgang mit Überhitzung gehören:
- Hinzufügen von Wartezeiten, z. B. Mindestschicht- oder Vektorzeiten für mehr Abkühlzeit
- Verwendung von mehr Stützstrukturen für eine bessere Wärmeleitung in die Bauplatte
- Senkung des Energieeintrags, z. B. durch Verringerung der Laserleistung
Wartezeiten und ein erhöhtes Stützvolumen führen jedoch zu längeren Bauzeiten und höheren Bauteilkosten, während ein Parameter mit geringerem Energieeinsatz die Bauteildichte beeinträchtigen kann. Eine andere Lösung ist erforderlich.
Abbildung 1 zeigt einige beispielhafte Baujobs mit geometrischen Merkmalen, die zur Überhitzung neigen, und die entsprechende thermische Signatur mit und ohne Smart Fusion.

Bei komplexen Geometrien wie der AlSi10Mg-Halterung kommt es zu einem Wärmestau, wenn Überhänge oder filigrane Geometrieelemente den Wärmefluss behindern. Um stabile Bedingungen zu erreichen, muss die Laserleistung in diesen Bereichen reduziert werden.
Bei Baujobs mit kleinen Belichtungsflächen und daher kurzen Schichtzeiten, wie z. B. dem Baujob: Werkzeugeinsatz aus MS1, staut sich die Wärme typischerweise von Schicht zu Schicht. Dies führt zu steigenden Oberflächentemperaturen der Teile, bis ein Gleichgewicht erreicht ist. Daher ist eine graduelle Verringerung der Energiezufuhr über die Bauhöhe erforderlich.
Idealerweise sollte die Energiezufuhr dynamisch angepasst werden, je nach Teilegeometrie und Auslastung des Baujobs (d. h. Schichtzeit). Dies muss so geschehen, dass die thermischen Bedingungen im Bauteil stabil bleiben.
Eine mögliche Lösung besteht darin, die thermischen Signaturen während des Bauvorgangs zu messen und eine Regelung einzusetzen, der die Energiezufuhr lokal auf Grundlage von erfassten Messdaten reguliert. Unser Regelungssystem Smart Fusion überwacht die von der optischen Tomographie (EOS Exposure OT) erfassten Grauwerte, vergleicht sie mit einem material- und prozessspezifischen Zielgrauwert und passt die Laserleistung auf Mikrovektorebene in der nächsten Schicht entsprechend an.
Abbildung 2 veranschaulicht das Funktionsprinzip von Smart Fusion. Der Unterschied, den Smart Fusion ausmacht, ist sofort sichtbar, wenn man das Prozessbild betrachtet.
Das folgende Video zeigt die Belichtung einer beispielhaften Schicht für eine schwierige Geometrie mit Smart Fusion und einem open loop Standardprozess zum Vergleich. Abbildung 3 zeigt diese Geometrie und vergleichende Schnappschüsse der beiden Prozesse.

Um die Auswirkungen der Überhitzung in dieser Studie zu zeigen, wurde eine Testgeometrie aus drei auf dem Kopf stehenden Kegeln ("Wärmestau-Demonstrator") gewählt, die auch in vergangenen Untersuchungen verwendet wurde. In diesem Demonstrator staut sich die Wärme aufgrund der dünnen Zylinder, die als Verbindungselement dienen und als thermischer Engpass wirken, schnell in den Kegeln. Ohne Smart Fusion führt dies zu glühend heißen Teileoberflächen, die noch längere Zeit nach der Belichtung des Teils sichtbar sind.
Unsere Standardprozessparameter sind zwar resistent gegen Überhitzung, stellen aber einen optimalen Kompromiss aus vielen Faktoren dar und sind daher nicht ideal für extreme Geometrien oder extrem kurze Schichtzeiten. Die Verwendung der Prozesssignatur (d. h. der mittlere GV), die diese Prozessparameter typischerweise erzeugen, als Zielgrauwert für Smart Fusion gewährleistet ideale Ergebnisse, selbst für sehr komplexe Teile.

Thermische Historie und ihre Auswirkung auf die Mikrostruktur
Teile, die mit PBF-LB/M gefertigt werden, durchlaufen einen einzigartigen thermischen Verlauf, der durch extrem schnelle Abkühlraten im Schmelzbad und zyklische Wiedererwärmung von zuvor erstarrtem Material definiert ist, wenn benachbarte Scan-Vektoren und nachfolgende Schichten belichtet werden. Wenn es zu einer Überhitzung kommt, wirken sich sowohl die Änderungen bei der anfänglichen Abkühlung als auch das anschließende Halten bei erhöhten Temperaturen auf die Entwicklung des Gefüges aus.
Die Oberflächentemperatur der erstarrten vorherigen Schicht des Materials bestimmt die Temperatur, auf die die aktuelle Materialschicht abkühlen kann. Erreichen diese Temperaturen Werte, bei denen es zu Phasenumwandlungen kommt, wie z. B. die Martensit-Starttemperatur (Ms) bei Stählen, kann die Phasenzusammensetzung im eingebauten Zustand erheblich beeinflusst werden. Wird die Martensitumwandlung anfangs unterdrückt oder kann sie nicht vollständig abgeschlossen werden, kann ein höherer Anteil an Restaustenit beobachtet werden, was zu einer geringeren Härte führt.
Die Ausscheidungshärtung während des Prozesses kann auftreten, wenn erhöhte Temperaturen in einem Bereich eines Teils lange genug gehalten werden. Daher können die Schichtzeiten für die Bildung von Ausscheidungen während des Prozesses kritisch sein, und die Ausscheidungen können sich je nach den aktuellen Bedingungen im Bauteil ändern. Lokale Ausscheidungen führen zu inhomogener Härte und potenziell erhöhter Sprödigkeit.
Bei erhöhten Temperaturen beginnen die typischen Erstarrungsstrukturen, die sich im PBF-LB/M Prozess gebildet haben, wie z. B. das Si-reiche Netzwerk in AlSi10Mg, zu vergröbern oder sich sogar aufzulösen. Dies kann die Festigkeit im wie gebauten Zustand erheblich verringern (bis zu 44 % Härteverlust in Tests).
Ein starker Wärmestau kann zu einem Anlassen des bereits erstarrten Materials führen. Bei anspruchsvollen Geometrien aus Ti6Al4V wurde anstelle des herkömmlichen nadelförmigen Martensits angelassener Martensit beobachtet, der gröber und eher lattenförmig war.
Die zyklische Wiedererwärmung durch nachfolgende Schichten wirkt sich auch auf die Mikrostruktur aus, indem das bereits erstarrte Material "getempert" wird. Unterschiede in der obersten Schicht im Vergleich zum Rest des Aufbaus werden häufig auf diesen Effekt zurückgeführt. Eine Überhitzung kann das Ergebnis der zyklischen Wiedererwärmung beeinträchtigen, da eine Abkühlung zwischen den Schichten erforderlich sein kann, damit der Anlasseffekt eintritt.
Insgesamt können ungleichmäßige thermische Bedingungen während des Fertigungsprozesses zu lokalen Gefügeveränderungen und entsprechenden Schwankungen der mechanischen Eigenschaften führen. Solche Veränderungen können zu unerwarteten Eigenschaftsabweichungen beim Vergleich von Prüfkörpern mit tatsächlichen Bauteilen führen und erfordern zusätzliche Wärmebehandlungsschritte (z. B. Lösungsglühen), um sie zu beheben.
Mehr homogene Eigenschaften in EOS MaragingSteel MS1 mit Smart Fusion
Die typischen Gefüge für gängige PBF-LB/M-Werkstoffe sind inzwischen gut bekannt. Als Beispiel zeigt Abbildung 6 einige Merkmale des Gefüges vom EOS MaragingSteel MS1 (ähnlich 1.2709) im eingebauten Zustand.
Das Ätzen zeigt ein fischschuppenartiges Schmelzbadmuster mit klaren Schmelzbadgrenzen. Auf Detailbildern sind Cluster von Martensitnadeln zu erkennen. MS1 ist im Ausgangszustand typischerweise martensitisch mit einem geringen Volumenanteil an Restaustenit. Bei höheren Vergrößerungen unter dem REM werden die zellularen und kolumnaren Erstarrungsstrukturen sichtbar.
In Abbildung 7 wird die Mikrostruktur eines Wärmestau-Demonstrators mit und ohne Smart Fusion verglichen.
Wenn Smart Fusion aktiviert ist, wird eine konsistente Ätzreaktion über die gesamte Probe hinweg beobachtet. Im Gegensatz dazu ist bei der Probe ohne Smart Fusion oberhalb des thermischen Engpasses ein dunkler Ätzbereich anstelle der üblichen hellen Ätzreaktion zu erkennen. Bei näherer Betrachtung ist eine teilweise Zersetzung der zellularen Erstarrungsstrukturen zu erkennen. Die Härte war in der dunklen Ätzregion deutlich höher und erreichte Werte bis zu 540 HV (mehr als 100 HV höher als üblich). Dies deutet darauf hin, dass eine signifikante In-situ-Ausscheidung stattfindet.
Um zu verhindern, dass der Recoater nicht mit den überhöhten Kanten des überhitzten Bauteils ohne Smart Fusion in Berührung kommt, wurde bei diesem Baujob eine Mindestbelichtungszeit von 40 s verwendet. Mit aktiviertem Smart Fusion war es auch möglich, das Teil ohne Wartezeiten zu fertigen. Abbildung 8 zeigt ein Schliffbild sowie einen Vergleich des Härteprofils zwischen den verschiedenen Einstellungen.
Die Schliffbilder zeigen, dass die closed-loop Regelung auch ohne Mindestschichtzeiten die thermischen Bedingungen kontrollieren und ein hochdichtes Bauteil erzeugen kann. Darüber hinaus wurde eine außergewöhnlich gleichmäßige Härte über die Bauhöhe erreicht. Die fehlende Wartezeit zwischen den Schichten verhinderte wahrscheinlich die Bildung von Ausscheidungen, die auftreten können, wenn das Material durch nachfolgende Schichten getempert wird.

Schlussfolgerung
Überhitzung während des PBF-LB/M-Prozesses führt je nach Bauteilgeometrie und Schichtzeiten zu erheblichen Veränderungen der Mikrostrukturen. Smart Fusion gewährleistet ein gleichmäßiges thermisches Profil auch unter schwierigsten Bedingungen. Indem die Energiezufuhr nur bei Bedarf dynamisch reduziert wird, können homogenere Eigenschaften ohne Produktivitätsverluste für MS1 und Ti6Al4V erzielt werden.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass Smart Fusion besonders relevant ist für:
- Gleichmäßigere Mikrostrukturen für komplexe Teile mit limitierten Wärmefluss in die Bauplattform
- Gleichmäßigere Mikrostrukturen für niedrige Baujob-Beladung mit reduzierten oder keinen Mindestschichtzeiten
- Wärmebehandlungen, bei denen die Ursprüngliche, wie gebaute Mikrostruktur bis zu einem gewissen Grad erhalten bleibt (z. B. direkte Alterung)
- Erforschung maßgeschneiderter Mikrostrukturen und Eigenschaften
Wie wirkt sich Smart Fusion auf Mikrostrukturen in anderen Materialien aus? Wir führen laufend umfangreiche Tests durch, um zu prüfen, wie sich Smart Fusion mit unseren verschiedenen Materialien verhält. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren!
Quellen und weiterführende Literatur:
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