
Die Eisenbahn neu denken: Stefanie Ziegelwede
Die Multi-Millionen-Dollar-Kraft von AM
APRIL 17, 2025 | Lesedauer: 5 min
In einer kürzlich erschienenen Folge des Additive Snack Podcasts begrüßte Gastgeber Fabian Alefeld Stefanie Brickwede, eine prominente Persönlichkeit, die die Einführung von AM nicht nur bei der Deutschen Bahn (DB) vorantreibt, sondern über das von ihr geleitete Netzwerk auch in anderen Branchen.
Die Diskussion bot einen faszinierenden Einblick in ein Jahrzehnt der AM-Implementierung bei der DB, die strategische Entwicklung von Nischenanwendungen zu einer zentralen Säule der Fertigung und die entscheidende Rolle der Zusammenarbeit bei der Beschleunigung des Fortschritts.
Begrüßung eines Pioniers im Podcast
Fabian Alefeld stellte Stefanie Brickwede erneut vor und betonte ihre Doppelrolle als Leiterin der Additiven Fertigung bei der Deutschen Bahn und Geschäftsführerin des Netzwerks Mobility Goes Additive (MGA). Nach dem letzten Gespräch vor einigen Jahren bot diese Folge ein Update über die bemerkenswerten Fortschritte, die die DB und MGA gemacht haben.
Ein Jahrzehnt Additiv bei der Deutschen Bahn: Von der Obsoleszenz zur Strategie
Stefanie teilte mit, dass die DB in diesem Jahr ihr 10-jähriges Bestehen der AM-Nutzung feiert. Die Reise begann ganz bescheiden mit der Bewältigung der Herausforderung der Obsoleszenz. Da Züge oft 30, 40 oder sogar 50 Jahre in Betrieb sind, wird die Beschaffung von Ersatzteilen für ältere Modelle immer schwieriger und teurer. AM bot eine perfekte Lösung für die Produktion dieser nicht mehr verfügbaren Teile auf Abruf. Was mit nur 10 Teilen begann, hat sich explosionsartig entwickelt: Die DB hat inzwischen über 150.000 Teile für 700 verschiedene Anwendungsfälle gedruckt und dabei 12 verschiedene AM-Technologien eingesetzt.
Interessanterweise war der ursprüngliche Ansatz der DB eindeutig von unten nach oben gerichtet. Da die DB in erster Linie Instandhalter und nicht Konstrukteur ist, verfügte sie nicht über umfassende CAD-Datenbanken für ihren riesigen Bestand. Anstelle einer typischen Unternehmensinitiative von oben nach unten wandte sich Stefanies Team direkt an die Kollegen in den Instandhaltungswerkstätten und fragte enthusiastische Mitarbeiter aus dem gesamten Unternehmen mit seinen 200.000 Beschäftigten, die bereit waren, sich an den AM-Bemühungen zu beteiligen.
So entstand ein leidenschaftliches, hierarchieunabhängiges Team, das die realen Bedürfnisse direkt von der Basis aus erkannte. Erst später begann DB mit der Einbeziehung von Vorrichtungen und Werkzeugen - die oft als niedrig hängende Früchte betrachtet werden - und mit der Entwicklung strategischerer Top-Down-Ansätze, bei denen verbesserte Datenbanken und sogar KI zur Identifizierung druckbarer Teile eingesetzt werden. Jetzt arbeiten die Begeisterung von unten nach oben und die Strategie von oben nach unten Hand in Hand.
Erfolg messen: Von gedruckten Teilen zu eingesparten Millionen
Stefanie erinnerte sich amüsiert an eine frühe KPI-Diskussion, bei der ihr Chef, ein ehemaliger Airbus-Mitarbeiter, zunächst vorschlug, den Erfolg am Druck von 20.000 Teilen im ersten Jahr zu messen - ein Ziel, das auf Gelächter stieß, da man zu diesem Zeitpunkt erst 10 Teile gedruckt hatte.
Während die Anzahl der Teile (insbesondere echte Ersatzteile, Prototypen oder Werkzeuge, keine Werbegeschenke) eine frühe Messgröße war, verlagerte sich der Fokus schnell auf quantifizierbare finanzielle Auswirkungen. Seit 2019 hat AM der DB Einsparungen in zweistelliger Millionenhöhe pro Jahr gebracht.
Diese Einsparungen ergeben sich aus verschiedenen Quellen: Überwindung von Mindestbestellmengen, erhebliche Verkürzung der Durchlaufzeiten (wie im Fall des unten beschriebenen Getriebegehäuses) und Vermeidung kostspieliger Zugstillstände.
Das größte Zukunftspotenzial liegt jedoch in der digitalen Lagerhaltung. Allein im physischen Lager der DB für rollendes Material befinden sich Teile im Wert von 1,8 Milliarden Euro, von denen bereits heute 10 % gedruckt werden könnten.
Um dieses Potenzial zu nutzen, verfolgt die DB die Strategie "Road to 100 Million", die darauf abzielt, durch bedarfsgerechte Fertigung und reduzierte physische Bestände Einsparungen in Höhe von 100 Millionen Euro zu erzielen. Um dies voranzutreiben, verlangt die DB nun, dass bei neu beschafften Zügen 10 % der Teile druckbar sein müssen, ein Trend, der von den niederländischen Kollegen (NS) übernommen wurde.

Hürden überwinden: Akzeptanz, Qualifizierung und Standards
Stefanie hob hervor, wie wichtig es ist, die Technologie greifbar zu machen - physische gedruckte Metallteile zu den Stakeholdern zu bringen, hat die Augen geöffnet. Kommunikation, internes Marketing und sogar ein Mitarbeiterwettbewerb (der dazu diente, Anwendungen zu finden und das Bewusstsein zu schärfen) waren entscheidend. Die zunehmende Verbreitung von FDM-Druckern für den Heimgebrauch trug ebenfalls dazu bei, die Mitarbeiter mit den grundlegenden Konzepten der Metalldrucktechnik vertraut zu machen.
Eine große Hürde, insbesondere für kritische Komponenten, ist der langwierige Zertifizierungsprozess.
Der Druck selbst ist oft nicht der Engpass, sondern die Qualifizierung und Prüfung nehmen die meiste Zeit in Anspruch. Aus diesem Grund haben DB und MGA aktiv mit Normungsgremien wie dem Deutschen Institut für Normung (DIN) zusammengearbeitet, um die erforderlichen Richtlinien zu erstellen. Ein wichtiges Ergebnis ist die Norm DIN 52920, mit deren Hilfe die Fähigkeit einer Produktionsstätte, kritische Teile zuverlässig zu drucken, bewertet werden kann.
Stefanie betonte die Notwendigkeit harmonisierter europäischer (EN) oder internationaler (ISO, ASTM) Normen, um eine breitere Einführung zu erleichtern und die Integration von Zulieferern zu vereinfachen, und bezeichnete das "Hacken" von Normen als wirklich "sexy", weil es eine Skalierung ermöglicht.
Mobilität wird additiv: Die Macht der vernetzten Zusammenarbeit
Die DB erkannte die Notwendigkeit, von anderen zu lernen und schneller zu skalieren, und initiierte das MGA-Netzwerk vor neun Jahren mit nur neun Gründungsmitgliedern. Heute ist MGA ein führendes europäisches AM-Netzwerk mit fast 150 Mitgliedsunternehmen, darunter große Bahnbetreiber, Zulieferer, Maschinenhersteller, Materialanbieter, Softwareunternehmen, F&E-Institute und Universitäten.
MGA fördert die Zusammenarbeit über die gesamte Lieferkette und mehrere Branchen hinweg, darunter Bahn, Luftfahrt, Automobil, Raumfahrt, Bauwesen, Verteidigung, Medizin und sogar Lifestyle (Mode, Schmuck, Design). Arbeitsgruppen befassen sich mit gemeinsamen Herausforderungen wie Zertifizierung, Materialentwicklung, Nachhaltigkeit und Bildung.
Stefanie erzählte von Beispielen wie einem Schnellworkshop zum Kupferdruck, der innerhalb von 14 Tagen organisiert wurde, und der Entwicklung eines flammhemmenden Pulvers (das die hohen Bahnnormen erfüllt und zuvor auf Materialien wie Ultem 9085 beschränkt war) durch die Zusammenarbeit zwischen Siemens und dem Materialanbieter Lehmann&Voss. Dieses nutzergesteuerte Netzwerk schließt die Lücke zwischen den Bedürfnissen der Industrie und den Fähigkeiten der Zulieferer.
Erfolgsgeschichte: Abwendung einer Krise mit AM
Ein anschauliches Beispiel für die Wirkung von AM waren 50 Frachtlokomotiven, die aufgrund von nicht erhältlichen Getriebegehäusen stillstanden. Die traditionelle Beschaffung sah Mindestbestellmengen und eine Vorlaufzeit von zwei Jahren vor.
Angesichts einer potenziellen Krise, die auf Vorstandsebene diskutiert wurde, nutzte Stefanies Team das MGA-Netzwerk, entwickelte das Teil neu und verwendete AM, um Sandformen für das Gießen der Gehäuse aus dem ursprünglichen Material zu drucken.
Der gesamte Prozess, von der Problemerkennung bis zur Lieferung des ersten Ersatzgehäuses, dauerte nur zwei Monate - ein eindrucksvoller Beweis für die Fähigkeit von AM, die betriebliche Ausfallsicherheit zu gewährleisten.

Der Weg in die Zukunft: Adaptives und disruptives Wachstum
Stefanie unterstreicht, dass AM sowohl adaptive Lösungen (Ersetzen von gleichartigen Teilen, Erleichterung der Einführung für konservative Branchen) als auch disruptives Potenzial (neue Designs, optimierte Teile) bietet. Beides wird benötigt. Sie plädiert dafür, dass sich die AM-Industrie in die Lage der Nutzer versetzt und sich an deren Bedürfnisse anpasst, anstatt die Nutzer zu zwingen, sich vollständig an die Technologie anzupassen.
Stefanie Brickwedes Einblicke unterstreichen die transformative Kraft von AM, wenn es strategisch und gemeinschaftlich umgesetzt wird. Der jahrzehntelange Weg der Deutschen Bahn ist ein überzeugendes Beispiel für die Nutzung von AM zur Steigerung von Effizienz, Widerstandsfähigkeit und Innovation, während MGA den exponentiellen Wert von branchenübergreifenden Partnerschaften bei der Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen und der beschleunigten Einführung dieser bahnbrechenden Technologie aufzeigt.