3D-gedruckte Prothesen für Hunde
AMFox entwickelt maßgeschneiderte 3D-gedruckte Prothesen und Orthesen für Tiere
17. April 2024 | Lesezeit: 10 min
3D-gedruckte Prothesen für Hunde: Schnell, dauerhaft und individuell
Manche Ideen nehmen einen etwas umständlichen Weg zu demjenigen, der sie schließlich umsetzen wird. Das gilt auch für die visionäre Idee, individuell angepasste Prothesen und Orthesen auch für Tiere herzustellen; schließlich hat die additive Fertigung schon vor einigen Jahren den Einsatz der Orthopädietechnik im Humanbereich revolutioniert. Es war die Tierärztliche Hochschule Hannover, die die Idee bei Hannover Impuls einreichte, einem Förderprogramm, das zwischen Wissenschaft und Wirtschaft vermittelt. Es dauerte nicht lange, bis mit Florian Lange, dem heutigen Geschäftsführer von AMFox, der richtige Partner gefunden war. Nach Abschluss der Gründungs- und Forschungsphase ist das Unternehmen nun bereit, mit individuell angepassten, 3D-gedruckten Prothesen und Orthesen das Leben von Hunden und Hundebesitzern zu verbessern.
Annäherung an das Produkt: Von der Orthese zur Prothese
Florian, der zuvor bei EOS gearbeitet hat, erkannte sofort, dass die einzige Technologie, die sich für die Herstellung individuell angepasster Orthesen und Prothesen für Hunde eignet, die additive Fertigung ist. Der Einsatz der SLS-Technologie gewährleistet ein Höchstmaß an Gestaltungsfreiheit und Flexibilität, so dass Produkte entstehen, die individuell an jedes einzelne Tier angepasst werden können. Um sein Ziel zu erreichen, tat er sich mit Roman Reiner Schmidt, Partner und Mitbegründer von AMFox, zusammen, der wie er einen großen Erfahrungsschatz an 3D-Druckprojekten einbringen konnte. Ihre ersten Schritte machten die beiden mit Orthesen für die Hyperextension des Karpalgelenks bei Hunden. Ein wenig Hintergrundinformation: Das Gelenk besteht aus mehreren kleinen Knochen, die durch Sehnen stabilisiert werden. Wenn die Bänder ihre Stützfunktion verlieren, biegt sich das Vorderbein nach hinten und kann nicht mehr gerade über der Pfote stehen. Durch diese Überstreckung entsteht eine falsch verteilte Belastung des Gelenks, die dem Hund Schmerzen bereitet.
Florian erklärt: "Bisher wurde dies mit einer Spange behandelt, die aber in 30 Prozent der Fälle zu Komplikationen führte, da sie für ältere Tiere ungeeignet ist, da sie keine Narkose mehr vertragen. Unsere Orthese stützt das Gelenk, ohne dass eine Operation notwendig ist, und verhilft dem Tier zu einer guten Lebensqualität." Nach dem erfolgreichen Einsatz verschiedener Orthesen entwickelten Florian und Roman ihr Konzept eines standardisierten Produkts weiter, was sie auf die Idee brachte, Prothesen herzustellen. "Unser Ziel war es, einen Baukasten mit Komponenten zu erstellen, der es uns ermöglicht, mit geringem Aufwand eine individuelle Passform für jeden Hund zu schaffen."
Der 3D-Druck schafft, was nur der 3D-Druck schaffen kann: Gitterstrukturen und TPU-Inlays
Eine Frage, die es bei der Entwicklung des Produkts zu lösen galt, war, welche Elemente erforderlich sind, um eine bequeme und gleichzeitig medizinisch sinnvolle Lösung zu gewährleisten. So arbeitet AMFox mit einer netzartigen Einlage, die es ermöglicht, eine Prothese nach der Amputation eines Vorderbeins möglichst komfortabel in den Rumpf einzupassen. Es kann aus einem thermoplastischen Elastomer (TPU) im SLS-3D-Druckverfahren hergestellt werden, benötigt keine Stützstrukturen und lässt sich wie ein Schwamm zusammenpressen. So entsteht nicht nur so gut wie kein Druck auf den Rumpf des Hundes, sondern es hat auch eine sehr gute Dämpfungswirkung. Die Elemente, die das Gelenk zwischen Brustkorb und Bein stützen, bestehen aus harten Deckschalen, die eine Gitterstruktur haben und aus PA11 gedruckt werden. Florian erklärt dazu: "Dieses Material hat sich in der Humanmedizin bereits bewährt, da es nicht splittert und sehr formbar ist. Da jede Prothese individuell für einen Hund angefertigt wird, bietet sie eine perfekte Passform".
Dann gibt es zwei Teile für das Bein, die mit dem Gelenk verschraubt werden. Der obere Teil hat ein Gewinde, mit dem die Länge in einem bestimmten Bereich eingestellt werden kann. Auch der Stellwinkel der Pfote kann individuell eingestellt werden, so dass sich der Hund an das Tragen der Prothese gewöhnen kann. Alternativ ist auch ein Rad erhältlich, mit dem manche Hunde tatsächlich besser zurechtkommen. "Wir haben jetzt genau das erreicht, was wir erreichen wollten: einen Bausatz, der alle Formen der patientenindividuellen Versorgung ermöglicht. Das ist auch für den Fall nützlich, dass ein Teil kaputt geht, denn dann muss nicht die ganze Prothese ersetzt werden, sondern nur das 3D-gedruckte Teil - was für den Hundehalter deutlich günstiger ist."
Wie es funktioniert: Ein Netzwerk für den digitalen Hund
Doch wie kommt ein Hund eigentlich zu seiner Prothese? Werfen wir zunächst einen Blick auf die gängige Praxis: Leider ist die Tierorthopädie in Deutschland nicht flächendeckend verfügbar, so dass Hund und Halter oft eine lange Reise auf sich nehmen müssen. Außerdem sind mehrere Termine für die Planung, Herstellung und Anpassung der Prothese notwendig. Das ist nicht nur sehr teuer, sondern nimmt auch viel Zeit in Anspruch. Das AMFox-Konzept löst dieses Problem durch die Erstellung eines digitalen Modells des Hundes. Zu diesem Zweck stellen Florian und sein Team ein Team von Partnern zusammen, die in der Lage sind, photogrammetrische Daten zu liefern. Wie Florian erklärt: "Der Besitzer bringt seinen Hund zu uns, und das gesamte Tier wird in einer Aufnahme mit mehreren Objektiven fotografiert. Alternativ können wir auch Röntgen- oder CT-Bilder verwenden, und wir arbeiten auch an anderen, KI-gestützten Möglichkeiten, die notwendigen Daten zu erhalten".
Nachdem das digitale Bild des Hundes erstellt wurde, wendet AMFox einen Algorithmus an, der die grundlegenden Designparameter der Prothese an den individuellen Körper des Hundes anpasst. Das Ergebnis ist eine Druckdatei, die direkt auf einem Computer verarbeitet werden kann. FORMIGA P 110 VelocisDies wird derzeit bei AMFox durchgeführt. Aber auch für diese Komponente wird eine andere Vision entwickelt. Künftig soll die Produktion durch einen lokalen 3D-Druckpartner erfolgen, der möglichst nahe am Wohnort des Hundes angesiedelt ist. Florian merkt an: "Hier kommen die generellen Vorteile der additiven Fertigung zum Tragen, denn wir können natürlich Logistik- und Transportkapazitäten einsparen, was unserenCO2-Fußabdruck optimiert." Dies ermöglicht eine weltweite Verbreitung des Konzepts, denn schließlich ist es möglich, in jedem Land ein Netzwerk von Scan- und Produktionspartnern aufzubauen. Auch wenn wir noch kein Marketing betrieben haben, haben wir bereits Anfragen aus Neuseeland, der Türkei und den USA erhalten, das Interesse ist also offensichtlich groß. Florian und sein Team arbeiten bereits an ihrer nächsten Idee - einem einsteckbaren Gehgestell für Hunde, die beide Vorder- oder Hinterbeine verloren haben oder gelähmt sind. Und dank der SLS-3D-Drucktechnologie und dem innovativen Konzept von AMFox steht der Umsetzung nichts mehr im Wege. Wir sind sehr gespannt, wie es weitergeht.
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